Je aromatischer sie duftet, umso mehr habe ich Sehnsucht danach. Wonach genau? Nach dem intensiven Geruch der sardischen Macchia Mediterranea – einer wilden, weitgehend noch unberührten Gebüschlandschaft aus Myrte, Wacholder, Immortelle, Ginster, Mäusedorn, Rosmarin und wildem Fenchel.

Die sardische Macchia Mediterranea: Immergrünes, mediterranes Strauchwerk

Wenn der Mensch nicht wäre, wäre fast ganz Sardinien bewaldet. Und! Es gäbe keine Macchia. Denn die heute weit verbreitete Gebüschlandschaft ist ein Kind der jahrtausendelangen Übernutzung der Wälder. Im Laufe der Zeit wurde aus versprengten Siedlungen in den Steineichenwäldern der Insel erst Dörfer, dann Städte. Felder und Weiden mussten gepflügt und beweidet werden. Die Menschen brauchten Brennholz für ihre Häuser. Für die Industrielle Revolution und die Autarkie unter der Herrschaft Mussolinis wurde weiterhin Wald gefällt, viel Wald. Das Ergebnis: Die Degradation großer Steineichenwälder zu einer zwei bis vier Meter hohen Pflanzengemeinschaft.

Dem Zauber der sardischen Macchia Mediterranea kann man sich nur schwer entziehen. Das weiß jeder, der sich beim Spaziergang oder Wandern auf Sardinien schon einmal durch diese vibrierende Duftwolke bewegt hat, die vom Boden her aus einem Dickicht aus Zistrosen, wilder Pistazie, Ginster, Myrte, Meerkirschen und Loorbeer strömt. In der beinahe undurchdringlichen Mittelmeer-Macchia, die auch heute noch fast die Hälfte der Insel bedeckt, entstanden zahlreiche sogenannte endemische Arten. So gibt es zum Beispiel einen Sardinien-Stauden-Borretsch, einen Sardinien-Nymphen-Strandflieder und eine Sardinien-Centaurea-Horrida, die zur Gattung der Flockenblumen gehört und ein bisschen an das Kissen eines Fakirs erinnert.

Insbesondere in den letzten Jahren hat die Faszination für die sardische Macchia Mediterranea stark zugenommen. Im Frühling geht man zum Wildspargel-Suchen. Mittdreißiger melden sich für Kräuterwanderungen an und jeder Regionalpark, der etwas auf sich hält, hat neben Tier– auch Pflanzenbeobachtung im Angebot. Wo sich früher höchstens ältere Jahrgänge für Hirtenpfade und Küstenwege interessierten, sieht man heute immer mehr junge Leute in der Natur. Und zwar nicht nur bei mehrstündigen schweißtreibenden Bergtouren im Gennargentu, sondern auch auf ganz schlichten Macchia-Spaziergängen. Woher kommt die Sehnsucht nach der duftenden Macchia? Vielleicht hat es mit dem Zustand der Welt zu tun. Und einer Rückbesinnung auf nachhaltige und landschaftsangepasste Freizeitaktivitäten. Denn eine unberührte Natur und ein intaktes Ökosystem werden zusehens zum Sehnsuchtsort.

Doch die Sehnsucht ist auch von der Sorge um die Zerstörung der Umwelt geprägt. Denn neben der Gefahr durch Feuer (die Gefährdung der sardischen Macchia Mediterranea durch Buschbrände ist groß) stellen auch der Klimawandel und die immer stärkeren Hitzewellen eine Bedrohung für Sardinien dar. Einem Bericht des Uno-Umweltprogramms (Unep) zufolge erwärmt sich der Mittelmeerraum 20 Prozent schneller als der globale Durchschnitt. Die Wahrscheinlichkeit ist also sehr groß, dass sich die Effekte der Erderwärmung auch auf das sardische Buschland auswirken. Und was passiert dann? Denkbar wäre eine Neuorganisation. Sollten die Temperaturen weiter steigen, werden beispielsweise Zwergpalmen, Wacholder und Strandlilien gezwungen sein, auf der Suche nach geeigneteren Bedingungen in höhere Lagen zu ziehen oder buchstäblich abzuwandern.