Lunissanti, Misteri, Desclavement, Incontru & Torrone

Auf Sardinien ist Ostern nicht ohne Prozessionen, Kreuzabnahme, Osterschießen und Honignougat zu denken. In vielen Dörfern und Städten laufen in der Karwoche und an den Feiertagen ergreifende Osterprozessionen. Hier verrate ich, wo man dabei sein sollten. Sechs Tipps für fünf Tage.

Stiller Montag: Lunissanti in Castelsardo

Die ersten Tage der Karwoche dienen auf Sardinien der Stille und Besinnung zur Vorbereitung auf die Feiern des Leidens, des Todes und der Auferstehung Jesu. Der Montag wird durch keine große liturgische Feier geprägt. Nur in Castelsardo ordnen sich die Laienbrüderschaften früh morgens vor der Kirche Santa Maria zu drei Kreisen. Eine Männerstimme erhebt sich zum Gesang, nacheinander fallen die beiden anderen Chöre ein. Nach dem Gottesdienst ziehen Geistliche und Chöre, begleitet von den Gläubigen ins knapp 10 Kilometer entfernte Tergu. Am Abend, wenn es dunkel wird, beginnt die Processione dei Misteri: Kapuzenmänner ziehen durch die Gassen der Altstadt Castelsardos, die von Fackeln erhellt wird. Die Chöre stimmen erschütternde Klagegesänge an.

Stiller Dienstag: Processione dei Misteri in Iglesias

Auch in Iglesias zeugt ein Umzug in der ersten Karwochen-Hälfte von den kommenden Ereignissen. Bei der Processione dei Misteri ist die Gemeinschaft der Erzbruderschaft des Heiligen Berges in weiße Kutten gehüllt. Die Vermummten tragen nach oben spitz zulaufende Kapuzen, die nur einen kleinen Schlitz für die Augen frei lassen. Sie schleppen sieben prächtige Standbilder mit sich herum, die die wichtigsten Momente des öffentlichen Wirkens und des Kreuzganges des Messias darstellen. Damit halten sie die Erinnerung wach an das Leiden von Jesus Christus. Die Processione dei Misteri beginnt gegen 19.00 Uhr in der Chiesa di San Michele, in der Altstadt von Iglesias.

Karfreitag: Liturgie mit Kreuzabnahme & Grablegung in Alghero und Scano di Montiferro

In Alghero und Scano di Montiferro finden am Karfreitag traditionell zwei große Umzüge (Su Desclavement und S’Iscravamentu) statt, bei der Laiendarsteller die Kreuzabnahme und Grablegung Jesu Christi nachspielen. Die Prozession beginnen mit der Einkleidung der Jünger Jesu, gefolgt vom Gottesdienst sowie Szenen der Abnahme. Dabei wird der Korpus vom Kreuz genommen. Mit Kneifzange und Hammerschlägen werden die Nägel aus den Händen und Füßen der Christusfiguren gezogen. Schließlich werden sie an einem Tuch herabgelassen, in einen Sarg gelegt und aus der Kirche getragen – zur Chiesa della Misericordia und zum Oratorium, die in Alghero und Scano di Montiferro traditionell als Gräber Jesu gelten. Hinter den Särgen marschieren die Bruderschaften, die Priesterschaft, die Ministranten, die Chöre und die Gläubigen. Fackeln erhellen die Szenerie. Die Menschen beten. Es sind emotionale Momente, die ganz nah an das Geschehen vom Karfreitag heranführen.    

Ostersonntag: Böllerschüsse und Tanz in Oliena

Während die Mehrheit der Prozessionen in der Karwoche Trauerzügen gleichen, ist S’Incontru – das Fest zu Ehren des Auferstandenen – ein Fest der Freude. Wenn in Oliena gegen 10.30 Uhr die Jesus-Figur und das Standbild der Madonna aus den Kirchen San Francesco di Paola und Santa Croce hinaus ans Licht getragen, werden, peitschen zig Gewehr- und Pistolenschüsse die Straßen und Plätze des kleinen Dorfes im Supramonte. Dort, wo der Auferstandene Jesus Christus und die Heilige Jungfrau durch das Dorf rollen, hagelt es Böllerschüsse. Ihren Höhepunkt erreichen die Prozessionen, wenn sich die Figuren an der Piazza Santa Maria treffen. Nach der feierlichen Messe gibt es sardische Volksmusik, traditionellen Tanz, jede Menge Ostergebäck und Su Gucciu, einen sehr leckeren Likörwein.

Ostermontag: Honignugat knuspern in Tonara

Meist sieht die Wettervorhersage für die Ostertage auf Sardinien nicht allzu schlecht aus. Deshalb steht in Tonara am Ostermontag, der sogenannten Pasquetta, alljährlich die Tradition der Sagra del Torrone (Honignugat-Fest) an. Bei dem beleibten Outdoor-Event im kleinen Bergdorf zu Füßen des Monte Muggianeddu wird um 11 Uhr ein großer Kupferkessel angeheizt. Zuerst wird der Honig mit dem zu Schnee geschlagenen Eiweiß vorbereitet, dann werden die Zutaten wie früher mit der Hand gerührt. In mehrstündiger Schwerstarbeit vermischen zwei bis drei Frauen die mehrere Kilos schwere Honigmasse abwechselnd mit einem riesigen Holzlöffel. Später werden die Nüsse oder Mandeln untergehoben. Zur Tradition gehört auch das Probieren der noch warmen, knusprigen und klebrigen Mischung. Außerdem gibt es Kunsthandwerk zu bestaunen. Mehr Informationen und das Programm gibt hier.