Wo Trüffel und Altstadt eine gelungene Symbiose eingehen

Riechen, hobeln und schmecken: Bühne frei für den „Tuber Magnatum Pico“! In Alba ist die knubbelige, verdächtig riechende Knolle die große Attraktion des Herbstes. Dann zieht es Gourmets auf die Trüffelmesse und durch die idyllischen Gassen des historischen Stadtkerns.

Tartufo Bianco”: Wenn sich nach der Weinlese die herbstlichen Nebel an die Hügel der Langhe schmiegen, begegnet man dem begehrten weißen Edelpilz in Alba auf Schritt und Tritt. Vor allem am Wochenende herrscht zu Messezeiten im „Cortile della Maddalena“ ein schier undurchdringliches Gewusel und Gedränge. Auf dem Innenhof des einstigen Dominikanerinnenklosters bieten dutzende Trüffelsucher ihre kostbare Delikatesse feil: Frische, stark riechende, knubbelige, weiße Knollen mit rauer Oberfläche in unterschiedlicher Größe. Zu ihren Kunden gehören Feinschmecker, Restaurants, Hausfrauen und Hobbyköche, die den Speisepilz in hauchdünnen Flocken ganz sparsam über fertige Gerichte hobeln. Die Preise sind spektakulär und variieren, denn was der Schlauchpilz kostet, bestimmen Vorkommen und Nachfrage.

Und weil die Trüffelsuche streng geheim ist, haben „Trifulaus“ wenig attraktive Arbeitszeiten. Meist sind sie nur bei Nacht oder im Morgengrauen aktiv. Den eigentlichen Entdeckerjob erledigen die „Tabui“, ihre speziell abgerichteten Hunde, die mit ihrer feinen Nase die edlen Knollen, die sich in Albas Wäldern mit Vorliebe unter der Erde an den Wurzeln von Linden oder Haselnussbäumen festhalten, aufspüren. Werden Hund und Herrchen bzw. Frauchen fündig, können sie vom Verkauf gut leben. Für 100 Gramm wertvollen Trüffel werden im Schnitt 350 Euro kassiert.

Grenzenloses Geschmacks- und Geruchserlebnis

Wem der teure Edelpilz nicht genügt, kann sich im Trüffelzelt sprichwörtlich durch Alba und die Region im grünen Herzen des Piemonts „essen“. Ob deftige Salami, frische Nudeln, süßer Honig, knackige Haselnüsse, getrocknete Pfifferlinge und Steinpilze, so riesig, wie sie selten zu sehen sind – eine schier unendliche Auswahl an lokalen Produkten lassen das Herz von Gourmets höher schlagen.

Hungrige Besucher drängen sich um überbordende Auslagen. Dahinter hantieren mehr als hundert Aussteller aus den Gebieten Langhe und Roero mit Messer und Korkenzieher, locken und preisen die Qualität der Waren an. Frisch gekochte „Bagna Càuda“ wird mit rohem Distelgemüse auf Weißbrot angeboten, Winzer öffnen eine unglaubliche Anzahl von edlen DOC und DOCG Weinen. Daneben säbeln Käseverkäufer an kleinen Ständen ein Stück würzigen „Rachera“ nach dem andern ab. Der Geruch nach Reben, säuerlicher Milch, Speck und Schokolade mischt sich mit dem allgegenwärtigen, süßlichen Duft der rohen Trüffel.

Einst Städtchen der 100 Türme

Wer nach den Tafelfreuden noch Lust auf mehr hat, macht einen Verdauungsspaziergang durch die pittoresken Gassen der Trüffelmetropole. Im frühen Mittelalter prägten rund 100 Geschlechtertürme weithin sichtbar das Stadtbild von Alba und kündigten so von der Macht der Vertreter der Stände. Heute sind nur noch wenige von den quadratischen Wohntürmen erhalten. Trotzdem umweht ein Hauch von Vergangenheit die Altstadt.

Direkt neben dem „Cortile della Maddalena“ befindet sich die Via Vittorio Emanuele mit den Barockkirchen “Maria Maddalena”, “Santi Cosma e Damiano“ und ihren eindrucksvollen Bauwerken aus dem Mittelalter und dem Jugendstil. Die beliebte Shopping-Meile – von den Albesi liebevoll Via Maestra genannt – liegt zwischen der nach dem Erfinder des Überraschungsei benannten Piazza Michele Ferrero und der Piazza Risorgimento mit der gotischen San-Lorenzo-Kathedrale. Auf dem Domplatz bekommt man nicht nur die Hauptkirche, sondern gleich nebenan noch das mittelalterliche Rathaus und das Drei-Sterne-Restaurant „Piazza Duomo“ von Spitzenkoch Enrico Crippa serviert. Das Gebäude-Ensemble ist eine wahre Augenweide. Viel Spaß kann man auch beim Eselrennen am ersten Sonntag im Oktober haben. Dann wimmelt es in der Altstadt nur so von Rittern, Bauern, Adelsfäulein und Maultieren.

Andrea Behrmann
Fotos: Paolo Succu

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